Sex Work and Human Rights

Videos der Protest-Aktion gegen Alice Schwarzer

Sexarbeiterin kritisiert Schwarzers Betrachtung der Frau als Ware

„Ich will nur sagen, was mich stört, ist die Betrachtung der Frau als Ware. Ich bin Dienstleisterin. Natürlich sind soziale Notlagen Hintergrund. Was mich stört ist die Betrachtung kontextfrei, dass wir nicht sagen: A muss es festes Einkommen geben, Frauen aus der Armut holen; das ist doch der Hintergrund. Und dann sagen, Dienstleistungen würdigen und das älteste der Frauengewerbe auch so aufwerten und Rahmenbedingungen schaffen, dass Frauen nicht weder individuell noch gesellschaftlich als Kinder betrachtet werden, sondern als selbständige, denkende Subjekte.“

(Durch die mindere Tonqualität ist diese Wortmeldung teils etwas schwer verständlich.)

Dieses Video wurde von mir bei der Vorstellung von Anti-Prostitutions-Aktivistin Alice Schwarzers Buch “Prostitution – Ein deutscher Skandal” am 14.11.2013 in der Berliner Urania aufgenommen.

Die beiden folgenden Videos wurden von anderen Gästen aufgenommen. Das erste Video zeigt Sexarbeiterinnen, die daran behindert wurden, neben der Bühne ein Transparent mit der Aufschrift “Mein Beruf gehört mir!” zu entrollen. Das zweite Video hält die Beiträge einer bulgarischen Sexarbeiterin und von Tanja Gangarova von der Deutschen AIDS-Hilfe fest sowie Alice Schwarzers und Sabine Constabels Reaktionen darauf. Lesen Sie dazu auch eine von mir verfasste Einleitung und die wortgetreue Niederschrift.

Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin

Podiumsdiskussion mit Alice Schwarzer zum Thema Prostitution

Einleitung und Niederschrift

Nachdem Sabine Constabel von jungen osteuropäischen Frauen erzählte, von denen die meisten ungebildet seien und von denen viele in Deutschland bereits krank ankämen aufgrund schlechter medizinischer Versorgung in ihren Heimatländern, meldete sich eine bulgarische Sexarbeiterin zu Wort:

„3 Jahre arbeite ich im Laufhaus in Berlin, 4 Jahre vorher Artemis, 6 Jahre in anderem Laden. Ich hab noch nie eine Bulgarin getroffen, welche von sie sprechen, wo sie krank waren. … 2 Frauen haben Schutz gesucht, die haben [die Polizei kontaktiert]. Wo treffen Sie diese Frauen?“

Bevor Constabel antworten kann, interveniert Alice Schwarzer: „Das ist doch einfach grotesk und dermaßen unglaubwürdig. Also, wir wissen jetzt einfach, 90 bis 95% der Frauen sind in schweren Notlagen und müssen sich… [Zwischenruf: „Wo sind die Zahlen?“]…können und müssen sich in Deutschland unter menschenunwürdigen Umständen prostituieren. Da gibt es anscheinend ein paar Prozent sehr fröhlicher Prostituierter, bitteschön, unbenommen. Wie werden nicht hinter Ihnen herstiefeln und Ihnen das verbieten. So, es gibt hier um ein anderes Problem. Bitte, wer will noch was sagen? Ach so, Entschuldigung. Sabine Constabel wollte etwas…“

Sabine Constabel: „Ich finde, es war ‘ne klare Frage, ich kann drauf antworten. Die Frage war ja wie ich die treffe oder wie ich auf die komm‘. Das ist ziemlich einfach. Also, wir haben Sprachmittlerinnen, Bulgarinnen, und die Bulgarinnen gehen in die Bordelle, die Bulgarinnen machen den Kontakt in die Modellwohnungen, sie sind auf der Straße, sind da ziemlich schnell bekannt unter den Frauen, und das Problem sind immer die Frauen, die nicht Deutsch sprechen oder nicht genügend Deutsch sprechen, und die kommen dann letztendlich über die Sprachmittlerinnen. Die rufen die an, haben die Telefonnummer, und kommen dann so in die Beratung.

Alice Schwarzer: „Okay, der Herr hat sich schon länger gemeldet. Wenn man ihm… Er kämpft sich grad zum Mikro. Da ist er auch schon.“

Tanja Gangarova (Fachreferentin Migration, Deutsche AIDS-Hilfe) „Ja, guten Abend…“

Alice Schwarzer: „Ich würde sagen, noch zwei, drei Fragen, dann…“

Tanja Gangarova: „Also, ich würde nur gerne zwei, drei Kommentare abgeben. Mein Name ist Tanja Gangarova, ich bin Sozialwissenschaftlerin und ich leite die Bereiche Migration und Sexarbeit und Internationales bei dem Bundesverband der deutschen AIDS-Hilfe. Wir sind ein Verband, was mittlerweile aus 130 Organisationen besteht, und im Namen dessen stehe ich heute da, weil wir grundsätzlich den Appell gegen Prostitution ablehnen, und ich sag‘ Ihnen dazu, hier findet auch heute eine ganz gefährliche Vermengung von Sexarbeit und Menschenhandel statt. [Applaus] Aus unserer Sicht kann eine konstruktive Kommunikation erst dann geschehen, wenn [es] eine klare Trennung zwischen diesen zwei Bereichen gibt. Für den Menschenhandel gibt es in Deutschland, nicht nur in der Sexarbeit, auch in jedem anderen gesellschaftlichen Zusammenhang das Strafrecht, und das ist auch gut so. Nicht nur Sexarbeiterinnen, auch Sexarbeiter, denn Sie vergessen das auch noch [Applaus] entscheiden sich selbständig, selbst wenn sie aus prekären Situationen kommen, denn ich komme selber aus Bulgarien, sind sie handelnde Subjekte.“

Alice Schwarzer versucht zu unterbrechen, aber Tanja Gangarova fügt an: „Letzter Kommentar. Ich habe international in diversen Ländern gearbeitet und ich kann Ihnen aus der Präventionsperspektive sagen, dass Verbote und Kriminalisierung haben noch nie dazu geführt, dass es keine Sexarbeit mehr gibt. [Applaus]

Alice Schwarzer: „Wir haben schon verstanden. Frau Constabel möchte…“

Tanja Gangarova: „Ich würde sehr gerne sagen auch etwas zu dem schwedischen Modell, weil das ist alles Quatsch. Das schwedische Modell hat dazu geführt, dass Prostitution nicht mehr sichtbar ist auf der Straße. [Rest nicht hörbar, Gangarova weist darauf hin, dass sich die Situation für Sexarbeiterinnen nicht verbessert hat.] [Tosender Applaus]

Alice Schwarzer: „Also, ich darf Ihnen sagen, dass die EMMA gerade mit der schwedischen Botschaft im Frühjahr einen Kongress plant, und da lassen wir mal die Leute kommen und werden sie genau befragen, und sie können es berichten.

Auf Unruhe im Publikum reagiert Alice Schwarzer mit der Bemerkung: „Ideologie sticht Realität, ‘ne? Ihr wollt das einfach nicht hören.“ [Gelächter von Schwarzers Gegner_innen, Applaus von ihren Unterstützer_innen] „Ich erlebe das nicht zum ersten Mal.“

BseD Postcard

15. November 2013

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