Sex Work and Human Rights

“Bordell Deutschland” – Journalismus auf Lücke

Wie lückenhafter Journalismus dazu beiträgt, dass in Deutschland eine sachlich fundierte Auseindersetzung zum Thema „Menschenhandel“ ausbleibt.

Der Spiegel 22.2013 Mock Cover - Matthias LehmannIch möchte Sie gerne auf einen Artikel von Sonja Dolinsek* aufmerksam machen, für den ich als Lektor verantwortlich zeichnete. In seiner aktuellen Ausgabe titelt DER SPIEGEL „Bordell Deutschland – Wie der Staat Menschenhandel und Prostitution fördert“. Diese schwerwiegende Anschuldigung und das Versagen des deutschen Prostitutionsgesetzes (ProstG) sollte die dazugehörige Titelgeschichte belegen.

Der rote Regenschirm ist das Symbol der Bewegung für die Rechte von Sexarbeiter_innen. Die Abbildung ist kein echter Spiegel-Titel. (Graphik: Matthias Lehmann)

Im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl ist der Bericht des SPIEGELs ein weiterer Höhepunkt in einer Reihe von Berichten in Print- und Online-Medien sowie von Talk Shows und Kriminalfilmen, die in den vergangenen Monaten gesendet wurden, welche darauf abzielen, das deutsche Prostitutionsgesetz und die ehemalige Bundesregierung, die es verabschiedete, zu diskreditieren.

Der Bericht des SPIEGELs lässt jedoch zahlreiche relevante Aspekte außer Acht, die die Prävention und Strafverfolgung von Menschenhandel betreffen, wie zum Beispiel den Opferschutz. Darüber hinaus versäumt es der Bericht, dringend notwendige Tatsachenbeweise in die breitere globale Debatte über Menschenhandel einzubringen. DER SPIEGEL trägt damit zu einer auf einzelne Bereiche beschränkten und eingeengten Debatte über Menschenhandel bei, und zu einer verfälschten Debatte über Sexarbeit.

DER SPIEGEL sieht sich einer heftigen Gegenreaktion von Sexarbeiter_innen, Akademikern, Juristen und der breiten Öffentlichkeit ausgesetzt, nicht nur ob der präsentierten Fakten, sondern auch was die Methoden seiner Journalist_innen anbetrifft, insbesondere die Behandlung einer Sexarbeiterin, die für den Beitrag interviewt wurde. In einem Versuch, den Schaden zu begrenzen, veröffentlichte der Spiegel eine trotzige Gegendarstellung, die jedoch fehlschlug.

Bitte klicken Sie hier, um den Artikel zu lesen, der sich sehr ausführlich mit der globalen Menschenhandelsdebatte und den „Fakten“ des SPIEGEL-Berichts auseinandersetzt.

Die Gegendarstellung der Sexarbeiterin Carmen können Sie hier nachlesen, und die Gegendarstellung des SPIEGELs finden Sie hier. Die Analyse des Juristin Thomas Stadler finden Sie hier. In den jeweiligen Kommentaren können Sie weitere aufschlussreiche Beiträge zum Thema finden.

* Sonja Dolinsek ist Gründerin des Blogs „Menschenhandel Heute“, eines Online-Magazins zum Thema Menschenhandel und verwandten Themen (Sexarbeit, Migration, Menschenrechte, Arbeit und Arbeitsrechte, Konsum, Wirtschaft, Zulieferketten, Gender, Rassismus, Diskriminierung, Frauen- und Kinderrechte, usw.).

Forschungsprojekt Korea, 31. Mai 2013

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